KAOS, EINE LIEBESERKLÄRUNG… VON MICHELLE RIEMER

Michelle begleitet die Kunst seit ihrer Kindheit, vom frühen Zeichnen bis hin zur Entscheidung, sie zu ihrem Beruf zu machen. Während ihres Kunsttherapie-Studiums merkte sie, wie essenziell die eigene Atelierarbeit für sie ist. Heute arbeitet sie zwischen Malerei, Keramik und Skulptur, intuitiv und offen für innere Prozesse. KAOS entdeckte sie zufällig auf einem Spaziergang, ein kreativer Ort, der sofort zu ihr passte.

Wie bist du ursprünglich zur Malerei gekommen?

Irgendwie habe ich mich schon immer mit Kunst beschäftigt, es begleitet mich eigentlich schon von Kind an. Ich habe schon immer gemalt oder gezeichnet, meistens Dinge, die mich umgeben haben oder die ich mochte. Für mich war schon während der Schulzeit klar, dass ich die Kunst irgendwie auch zu meinem Beruf machen möchte. Ich habe mich dann für die Kunsttherapie entschieden- habe aber in meinem Studium der Kunsttherapie schnell gemerkt, dass die Atelierarbeit für mich super wichtig ist.

Wie wählst du deine Farben und Materialien aus?

Bei der Malerei ganz intuitiv. Ich schaue immer spontan, welche Farben und Materialien mich ansprechen. Das lässt mir einen großen Freiraum im Werk, den ich im künstlerischen Prozess sehr schätze. Ich versuche auf der Bildebene Kompositionen entstehen zu lassen, die in Verbindung stehen- und gleichzeitig versuche ich diese Verbindungen wieder zu lösen. Genauso können Bedeutungen im Bild entstehen und wieder verschwinden- es bleibt ein offener Prozess ohne klare Bedeutung. In der Keramik arbeite ich eher konzeptuell.

Gibt es ein Werk, das für dich eine besondere Bedeutung hat?

Ja, das ist die Installation „All my teeth“, die aus 28 Keramikarbeiten besteht, an der ich 2022 bis 2024 gearbeitet habe. Das Werk greift das weit verbreitete Motiv des wiederkehrenden Traums vom Zahnverlust auf. Übergroße, weiß glasierte Keramikzähne, deren Formen sich zwischen vertrauter Anatomie und abstrakter Verzerrung bewegen, liegen auf einer dunklen Stahlplatte, die von einfachen Betonblöcken getragen wird. Das Werk beschäftigt sich mit Themen wie Verlust und körperlicher Transformation. Es schafft einen physischen Ort für eine immaterielle Erfahrung und eröffnet so einen Raum für kollektive Assoziationen und persönliche Projektionen. Diese Arbeit ist sehr persönlich für mich.

Welche Atmosphäre brauchst du zum Arbeiten – Stille, Musik oder eher kreatives Chaos?

Alles drei. Ich bin im kreativen Chaos besonders kreativ, brauche unbedingt Musik beim Arbeiten und genieße es, wenn im Atelier was los ist. Manchmal freue ich mich aber auch, ganz allein im Atelier zu sein

Hat sich dein Stil im Laufe der Zeit verändert? Was hat diesen Wandel beeinflusst?

Auf jeden Fall! Ich schwanke schon immer zwischen Malerei und Skulptur. Es hat sich durch die Arbeit mit Keramik ein weiteres Feld geöffnet, was ich aktuell viel erkunde.

Durch meine Arbeit als Kunsttherapeutin verstehe ich meine Bilder auch immer als Ausdruck meines inneren Erlebens- und sehe darin meistens, wenn auch verzögert, innere Wandlungen und Prozesse.

Wie siehst du die Verbindung zwischen Kunst und Heilung – kann das künstlerische Arbeiten Menschen helfen, sich selbst besser zu verstehen?

Definitiv! Das künstlerische Arbeit schafft Selbstwirksamkeit, fördert die Wahrnehmung und stärkt die Identität. Inneres Erleben, unbewusste Anteile können durch die Gestaltung sichtbar und dadurch bearbeitbar werden. Allerdings braucht es bei der Begleitung von Menschen mit psychischen Erkrankungen unbedingt eine/n gut ausgebildete/n Kunsttherapeut:in!

Was hat dich zu KAOS gebracht?

Das KAOS habe ich auf einem Spaziergang durch Schöneweide entdeckt und es hat mich gleich total angesprochen-ein alternativer, kreativer Ort an der Spree- eine kleine Oase in der Stadt. Zu dem Zeitpunkt habe ich noch nicht in Berlin gewohnt, habe mich dann kurz nach meinem Umzug in Berlin und einer kurzen Zeit in einem kleinen Atelier im KAOS beworben. Mich hat vor allem begeistert, dass immer was los ist, immer jemand gerade kreativ, kulinarisch oder entspannt vor Ort ist. Mich inspiriert ein künstlerisches Umfeld sehr und Austausch über die aktuellen Werke der anderen Künstler:innen im KAOS ist für mich ein wichtiger Input.

Website: https://michelleriemer.com/

Instagram: @miskielle

Photos © Michelle Riemer